Struktur des Universums
Die zunehmende Leistungsfähigkeit erdgebundener Großteleskope hat entscheidend zur Erweiterung unserer Kenntnisse der großräumigen Struktur des Universums beigetragen. Der Einsatz von Weltraumteleskopen in der Erdumlaufbahn (z.B. Hubble Space Telescope, Röntgenteleskop ROSAT) erlaubt darüber hinaus die Durchmusterung des Himmels in Wellenlängenbereichen, für die die Erdatmosphäre nicht ausreichend durchlässig ist. Auf diese Weise kann nicht nur der Zentralbereich unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, genauer studiert werden, sondern man erhält zugleich einen Einblick in Prozesse, die im Inneren weit entfernter Galaxien vor sich gehen. Diese Systeme sind oftmals so weit von uns entfernt, daß das von ihnen ausgesandte Licht länger zu uns unterwegs war, als Erde und Sonnensystem überhaupt existieren.
Abb. 1: Hubble Deep Field. Diese insgesamt zehn Tage lang belichtete Aufnahme des Hubble-Weltraum-Teleskops entstand im Dezember 1995. Innerhalb des winzig kleinen Himmelsausschnitts im Sternbild Ursa Major (Großer Wagen) sind weitaus mehr Galaxien als Sterne zu erkennen. Die lichtschwächsten Galaxien sind am weitesten von uns entfernt und markieren den Rand des beobachtbaren Universums (NASA, StScI, HST).
Daß es sich bei den im Fernrohr als matte Nebelflecken sichtbaren Galaxien nicht um Objekte unserer eigenen Milchstraße handelt, sondern um eigenständige Sternsysteme mit jeweils hunderten von Milliarden individueller Mitglieder, konnte erst Mitte der 40er Jahre durch die photographische Auflösung des Zentralgebietes des benachbarten Andromedanebels M31 in Einzelsterne bewiesen werden.
Mit einer geschätzten Masse von 300 Milliarden Sonnenmassen ist der Andromedanebel das bei weitem massereichste Mitglied einer als "Lokale Gruppe" bezeichneten Ansammlung von etwa 30 unterschiedlich geformten Galaxien. Unsere nur halb so massereiche Milchstraße ist das zweitgrößte und M33, die Galaxie im Sternbild Triangulum (Dreieck), das drittgrößte Spiralsystem der Lokalen Gruppe. Die übrigen Mitglieder gehören zumeist zur Gruppe der elliptischen oder irregulären - unregelmässig geformten - Galaxien, die zum Teil die drei großen Hauptgalaxien begleiten und weniger als 10% zur Gesamtmasse der Lokalen Gruppe beitragen. Die wohl bekanntesten Begleiter unserer Heimatgalaxie sind die Große und Kleine Magellansche Wolke, die am südlichen Sternhimmel als wolkenartige Gebilde hervortreten. Bei den drei Hauptgalaxien der Lokalen Gruppe handelt es sich um Spiralsysteme. Die als galaktische Halos bezeichneten Außenbezirke der Spiralgalaxien werden von jeweils mehreren hundert Kugelsternhaufen bevölkert, die in der Regel einige 100.000 Sterne pro Haufen beheimaten. Die Kugelsternhaufen benötigen etwa 100 Millionen Jahre, um die jeweilige Zentralgalaxie auf langgestreckten Ellipsenbahnen zu umlaufen. Die hellen Spiralarme sind Ansammlungen aus Wasserstoffgaswolken mit geschätzten Ausdehnungen von ca. 150 Lichtjahren, die enorme Mengen interstellaren Staubes als Baumaterial für zukünftige Planetensysteme enthalten. Das galaktische Zentrum und die Spiralarme sind diejenigen Bereiche eines Spiralsystems, in denen der Prozeß der Sternentstehung in vollem Gange ist und ständig Generationen neuer Sterne nachliefert.
Die Spiralgalaxie M81 im Sternbild Ursa Major (Großer Bär) bildet gemeinsam mit einigen lichtschwachen Begleitern und der Galaxie M82 ein Mehrfachsystem. Das ungewöhnliche Erscheinungsbild von M82 wird durch turbulente Gas- und Staubmassen hervorgerufen. Verborgen hinter einer Wand aus interstellarem Staub laufen im Zentrum von M82 intensive Sternentstehungsprozesse ab, die möglicherweise von mehreren Supernovaexplosionen in rascher Folge ausgelöst wurden.
Abb. 2: Die Galaxien M81 (rechts) und M82 im Sternbild Ursa Major. Aufnahme: David Malin / AAO.
Systematische Untersuchungen an mehreren tausend Objekten haben gezeigt, daß sich mit Ausnahme einiger Mitglieder der Lokalen Gruppe die Galaxien mit umso größerer Geschwindigkeit von unserer Milchstraße fortzubewegen scheinen, je weiter sie von uns entfernt sind. Aus dieser wichtigen Beobachtung, die auf Edwin Powell Hubble zurückgeht, läßt sich die ständig fortschreitende Ausdehnung (Expansion) des Universums bestimmen und zu einer Abschätzung der seit dem Urknall verstrichenen Zeit heranziehen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Universum in einem heißen, gasähnlichen Zustand ohne erkennbare Struktur, aus dem die leichtesten Elemente Wasserstoff, Deuterium, Helium und Lithium hervorgingen. Noch bis vor kurzem standen die hieraus gefolgerten Altersangaben jedoch im Widerspruch zu Altersbestimmungen, die an den ältesten bekannten Kugelsternhaufen vorgenommen wurden und ein weitaus höheres Alter zwischen 16 bis 18 Milliarden Jahre lieferten.
Die kürzliche Gesamtauswertung der hochgenauen Positionsbeobachtungen des europäischen Satelliten Hipparcos, die Anfang der 90er Jahre für knapp eine Million Sterne im Umkreis von 500 Lichtjahren gewonnen wurden, machte eine Neueinteilung der Entfernungsskala im Universum erforderlich. Demzufolge sind die Kugelsternhaufen der Galaxienhalos tatsächlich etwa 15% weiter von uns entfernt und somit 30% lichtstärker als bisher angenommen. Die höhere Leuchtkraft der Kugelsternhaufen weist auf eine raschere Entwicklung der enthaltenen Einzelsterne hin, aus der ein mittleres Haufenalter von lediglich 10 bis 13 Milliarden Jahren resultiert. Die generell größeren Abstände der Galaxien voneinander erlauben dagegen eine geringfügige Ausweitung des seit dem Urknall vergangenen Zeitraumes auf ebenfalls 10 bis 13 Milliarden Jahre, so daß beide Methoden unabhängig voneinander heute zu übereinstimmenden Abschätzungen des Weltalters gelangen.
Abb. 3: Die Galaxie NGC 253 im Sternbild Sculptor (Bildhauer). Aufnahme: Europäische Südsternwarte La Silla, Chile.
Eine hervorragende Bestätigung für die Urknalltheorie ergab sich kürzlich anhand von Beobachtungen der kosmische Hintergrundstrahlung durch den 1989 gestarteten amerikanischen Satelliten Cosmic Background Explorer (COBE). Die kosmische Hintergrundstrahlung wurde schätzungsweise 300.000 Jahre nach dem Urknall ausgesandt, als sich das Universum auf etwa 1/1000 seiner heutigen Größe ausgedehnt hatte. Bei Temperaturen unterhalb von 3.000 Grad kam es zur Entkopplung von Strahlung und Materie, indem sich negativ geladene Elektronen und positiv geladene Atomkerne zu elektrisch neutraler Materie vereinten und dadurch erst die Ausbreitung von Lichtwellen ermöglichten. Da die kosmische Hintergrundstrahlung gewissermassen den Zeitpunkt markiert, an dem das Universum transparent wurde, wird dadurch die Grenze der mit Hilfe von Telekopen zugänglichen Welt festgelegt. Aufgrund der Expansion des Universums und der einhergehenden Verschiebung der Hintergrundstrahlung in den langwelligen Spektralbereich, läßt sich dem "Welthorizont" heute eine mittlere Temperatur von 2,73 Grad über dem absoluten Nullpunkt zuschreiben. Von besonderem Interesse sind die von COBE entdeckten und seither durch zahlreiche erdgebundene Experimente bestätigten Temperaturschwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung, die gerade mal Abweichungen im tausendstel Prozentbereich von einer gleichmäßigen Temperaturverteilung entsprechen. Diesen schwach ausgeprägten Temperaturschwankungen lassen sich anfängliche Materieverdichtungen zuordnen, die sich bereits in der Frühphase des Universums herausgebildet haben müssen. Dadurch wurde die Grundlage für die weitere strukturelle Entwicklung des Universums unter dem Einfluß gegenseitiger Anziehungskräfte geschaffen, die zu der heute beobachteten großräumigen Anordnung von Galaxien in Form von Haufen, Superhaufen und fast galaxienfreien Räumen mit oftmals 65 Millionen Lichtjahren Durchmesser führte.
Abb. 4: Himmelskarte der kosmischen Hintergrundstrahlung. Blau bedeutet kälter und rot wärmer als 2,73 Kelvin. Aufnahme: COBE (NASA).
Vermutlich offenbaren uns die lichtschwachen Galaxien nur jeweils 1% bis 10% der insgesamt vorhandenen Masse, die zum überwiegenden Teil in Form von "Dunkler Materie" vorliegen dürfte, also Materie, die man mit den heute üblichen Beobachtungsmöglichkeiten nicht erkennen kann. Eine bessere Abschätzung der Massenverteilung innerhalb des Universums und des damit verbundene Einflusses auf die Dynamik der Expansion erfordert noch detailliertere Beobachtungen der Temperaturfluktuationen der kosmischen Hintergrundstrahlung mit Hilfe von Ballonteleskopen und Satelliten, als es bislang möglich war.